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 Pinky und Professor Funke  

 Rede von Professor Funke zur Eröffnung der Ausstellung “Rebellion der Seele - Bilder vom Rande der Gesellschaft” am 14. September 2002 in Worpswede


 ( links Pinky ,rechts Professor Funke )
 

 

 

Selten findet sich im Werk eines Künstlers eine so enge Verbindung von Kunst und Leben wie in den Bildern dieser Ausstellung. Der Betrachter findet sich inmitten einer "comédie humaine”, die wie Balzacs großer Zyklus alle Aspekte des Menschen in der Gesellschaft nicht zur zeigen sondern auch offenlegen will.

Pinky führt sein Publikum unmittelbar an die Schauplätze unterschiedlichster Verhaltensweisen. Er tut dies nicht wie ein distanzierter Beobachter, sondern als direkt Beteiligter reißt er uns mit in den Strudel psychischer und psychosozialer Extremsituationen.

Damit zeigt sich der Maler fern von den oft sterilen Produkten gegenwärtiger Kunst, in denen vor lauter Theorie die sinnliche Ausstrahlung verloren geht. Pinky orientiert sich nicht an kurzlebigen Modeströmungen, er ist seinen schweren Weg allein gegangen, einen Weg, der konsequent und unverstellt die Persönlichkeit des Künstlers in seiner Kunst und durch die Kunst preisgibt. Pinky versteckt sich nicht hinter stilistischen Floskeln: seine Bilder sind keine Geheimnisse, sondern Offenbarungen. Mit rigoroser Aufrichtigkeit berichten die Sujets von erlebter Realität -auch der Realität von Träumen und Visionen. Diese Realitäten erfährt der Betrachter nicht als Kopie oder Wiederholung sondern als malerische Übersetzung und Steigerung.
Pinkys Welten sind Einblicke in das "große Welttheater”, die im Ausschnitt das Ganze enthalten, die von Details überquellen und neben dem Hauptmotiv zahlreiche Nebenszenarien zeigen. Immer wider eröffnen sich neue Bildräume, in denen man sich verlieren kann. Visionen und Halluzinationen sind dabei die unerschöpflichen Quellen der Inspiration des Künstlers.
Die Werkgruppen der Ausstellung sind zugleich die thematischen Schwerpunkte in Pinkys Arbeit.

1. Das zentrale Thema ist und bleibt der Mensch : es ist letztlich der Künstler selbst,
-der Blick in seine Vorstellungswelt
-der Blick auf die Welt und auf andere Menschen
-der Blick auf die Befindlichkeiten der Menschen und schließlich
-der Blick in psychische Ausnahmesituationen.

 Pinky, Hehler und Dieb 40x40 

Pinky zeigt Diebe und Zocker, Zuhälter und Kiffer - aber auch Glücksucher und Sammler.
Pinky,Kiffer 60x50Niemals aber ist Pinky der nüchtern darstellende Porträtist, er ist vielmehr selbst in jedem Bildnis emotional präsent und "setzt uns gleichsam seine Augen auf “ (Schopenhauer), mit denen wir nun wahrnehmen, also etwas für -wahr- nehmen.


 

Pinky, Zellenübung mit Gitarre  70x502. Pinkys Lebensgeschichte erscheint in der Themengruppe "Haftbilder” in malerischer Transformation. Zu beachten ist, dass hier die Welt der Gefangenen nicht aus der Sicht eines Sozialarbeiters oder Therapeuten, sondern aus der teilnehmenden Beobachtung eines Betroffenen gezeigt wird. 

 



 

 Pinky, Im Garten 70x50
3. Stadt und Natur als äußerer Lebensraum des Menschen werden oft in heiterer Stimmung in überraschend heller und leuchtender Farbigkeit gemalt. In dieser Thematik entwickelt Pinky ein reiches Kolorit in vielfältigen Nuancierungen. 

 



 Pinky, Der Geiger 80x65

 

4. In der Themengruppe "Musik” wird das emotionale Moment besonders akzentuiert, da je die Musik - aber auch die Malerei - traditionell besonders stark emotionsbestimmt sind. Pinky findet hier besonders expressive Formen der Darstellung der Musik, indem er musizierende Menschen einfühlsam vorstellt.
 

 




Hinter dem starken Ausdruck der Kompositionen zeigt sich dann auf den zweiten Blick der äußerst sensible Umgang mit der Farbe als Ausdrucksträger. Pinky verwendet sie in immer neuen Differenzierungen: Stets werden Farbklänge mit zahlreichen Brechungen und Varianten angereichert, die allen Bildern eine vibrierende Oberfläche verleihen. Diese Variationen der Farbe finden ihre Entsprechung in der Vielfalt des Farbauftrags. In einer ungekünstelten Handschrift trägt der Künstler seine Farben demonstrativ gestisch auf, damit wird die Geste des Malers, wird der Vorgang des Malens zum sichtbaren Teil des Bildes.
Am stärksten verdeutlicht sich Pinkys malerische Position darin, wie er die expressiven Passagen seiner Bilder einer rationalen Bildordnung unterwirft. Jedes Bild in jedem Format ist von einer eindeutigen Komposition beherrscht, das heißt, Pinky ist kein Maler, der unkontrolliert hinschreibt, was ihn gerade bewegt : er ist vielmehr ein Künstler, der eine überlegte Balance zwischen Empfindung und Rationalität zu finden weiß.
Jedes einzelne Bild ist ein besonderes Ordnungsgefüge, in dem Kontraste spannungsvoll gegeneinander ausgespielt werden, wie etwa Linien und Flächen, Groß- und Kleinformen, Einzelformen und Formgruppen, Helligkeiten und Dunkelheiten, reine und getrübte Farben. Diese komplementären Vielheiten sind aber jeweils zu einer Bildeinheit zusammengefügt, es lässt sich sogar von einem Sinngefüge sprechen, wobei das Sinnganze durch die Thematik definiert ist.

Zum Handwerklich-Technischen in der Malerei Pinkys:
Alle Bilder sind in rascher Abfolge und oft in kurzer Zeit gemalt worden, das bedeutet jedoch nicht, dass sie flüchtig gemalt wurden. Oft sind gerade die Passagen, die beiläufig erscheinen, diejenigen, an denen am sorgfältigsten gearbeitet wurde. Hierzu bedient sich Pinky der klassischen Materialien der Malerei : Ölfarbe (gelegentlich ergänzt durch Dispersionsfarben) und Leinwand. Er bleibt bewusst im Rahmen malerischer Tradition.
Angesichts des malerischen Reichtums bei Pinky stellen sich zwei Assoziationen ein. Da ist einmal die "Fülle der Gesichte”, von der Faust (bei Goethe) in seiner Studierstube spricht. Ãhnliches erlebt Pinky, wenn er sagt, dass seine Malerei mit dem Strom innerer Bilder kaum Schrittt halten kann.
Zum zweiten erfüllt Pinky die Forderung Albrecht Dürers (im Entwurf zu "Speis der Malerknaben”- 1512), ein guter Maler müsse "inwendig voller Figur “sein. In der Tat ist Pinky voll innerer Bilder, die aus den unerschöpflichen Quellen seines Unterbewusstseins sprudeln. So sind seine Bilder keine Rätsel, die nach einer Lösung verlangen, sondern sind unmittelbarer Ausdruck eines unverwechselbaren künstlerischen Menschen.

© Prof. Jost Funke

 



 Zwei Presseartikel
(die Fotos wurden aus Gründen der Dateigröße weggelassen)


Bremen, den 18.September 2002

„Malerei als Rebellion der Seele“

Pinkys Bilder in der Galerie Andalusien Art

Von unserer Mitarbeiterin Donata Holz

Worpswede. Verzerrte Gesichter, erschrockene Augen, deformierte Köpfe ... die Menschen in den Bildern von Pinky haben eine ungewöhnliche Physiognomie. Diese Menschen wirken brutal und sensibel, verloren und aggressiv zugleich. Entstanden und zu verstehen sind sie aus der ungewöhnlichen und wechselhaften Biografie des Malers, der seine Arbeiten jetzt in der Galerie Andalusien Art präsentiert.

Pinky wurde 1957 als Sohn einer Jüdin geboren. Misshandelt von Stiefvätern, verbrachte er einen großen Teil seiner Kindheit und Jugend in Heimen und Pflegefamilien. Gleichzeitig musste er das Gymnasium verlassen, Er brach eine Lehre ab, als er von dem Fahrer der Firma vergewaltigt wurde. Die Möglichkeit, als Zeitsoldat unterzukommen, zerschlug sich nach einem Unfall. Zu diesem Zeitpunkt, so beschreibt es der Maler selbst, war er desillusioniert und traumatisiert. Er wurde kriminell und landete im Gefängnis, wo seine Begegnungen ihm halfen, einen neuen Lebensinhalt zu finden.

Während einer mehrjährigen Haftstrafe teilte er die Zelle mit einem Kunstfälscher und einem Wirtschaftskriminellen, der als Sammler von Gegenwartskunst galt. Der Austausch mit ihnen machte Pinky mit Kunst vertraut, er begann mit der Malerei. Er erfuhr, dass sie Kräfte und Erkenntnisse im Menschen freisetzen kann. Sie wurde zu seinem Lebensinhalt.

Gleichzeitig holte er sein Abitur nach und studierte dann Philosophie, Psychologie und Kunstgeschichte an der Fernuniversität in Hagen. Dennoch arbeitete er nach seiner Entlassung 1995 in einem Schlachthof, bis er sich bei einem Unfall die Wirbelsäule brach und arbeitsunfähig wurde.

Gleichzeitig hatte er nach seiner Entlassung über 250 Bilder gemalt, die ebenso wie die 50 Arbeiten seiner ersten Ausstellung 1997 verkauft wurden. Die Flut der Bilder, die dem Maler durch den Kopf strömt, setzt er in seinen intensiven Schaffensprozessen, während derer er Tag und Nacht arbeitet, um.

Die Tiefen des Lebens, die gefühlten und erlebten Abgründe der Menschen werden in seinen Bildern deutlich und schonungslos dargestellt. Erfahrungen und Beobachtungen der Gesellschaft, der Menschen, die ihn geprägt haben ebenso wie der Blick auf sich selbst und seine Seele, werden auf der Leinwand durch kraftvolle Farben und expressive Striche lebendig. Die teilweise deformierten Köpfe sind der Spiegel für das Gefühl des Künstlers zu seinen Mitmenschen und zu sich selbst.

In den Bildern von Pinky trifft der Betrachter auf den „Maskensammler", der für jede Gelegenheit ein anderes Gesicht bereithält. Es sind der Trinker in der Kneipe, der Kiffer oder Dieb, die in den Bildern des Malers Gestalt annehmen. Und die Straßen einer Stadt erzählen von den Dramen, die sich dort abspielen. Ein anderes Bild zeigt den Künstler selbst, wie er sich „Vor, während und nach der Haft" sieht. Vom großen kräftigen Mann mit groben Gesichtszügen hat er sich über den Fragenden zu einem kleineren sensiblen Mann entwickelt, dessen Gesicht jedoch offener und klarer geworden ist.

Die Bildsprache von Pinky lässt sich keiner Stilrichtung zuordnen. Er malt stets mit Ölfarbe auf Leinwand, wobei seine Striche aus seinem tiefen Inneren, nahezu explosionsartig direkt auf die Leinwand zu strömen scheinen. Seine Malerei ist „Eine Rebellion der Seele vom Rande der Gesellschaft". • Zu sehen ist die Ausstellung in der Galerie „Andalusien Art" Öffnungszeiten: mittwochs bis sonnabends von 15 bis 18 Uhr und sonntags von 11 bis 18 Uhr.





Osterholz, den 18. September 2002

Kanal für Unterbewusstsein öffnen
Rebellion der Seele - Vom Rande der Gesellschaft


Worpswede (cvl). So einzigartig die Bilder des Malers „Pinky" sind, so außergewöhnlich ist auch der Weg, der diesen Menschen zur Kunst, zur Malerei führte. „Pinky" ist ein Pseudonym, eigentlich ein Knastname.

1957 wurde „Pinky" als nichtehelicher Sohn einer Jüdin geboren, die in der Schweiz die Naziherrschaft überlebt hatte. Seine Jugend verbrachte er in Heimen und Pflegefamilien, war häufigen Misshandlungen ausgesetzt. Das Gymnasium verließ er vorzeitig, eine Lehre brach „Pinky" ab, der Wunsch, als Zeitsoldat Geld zu verdienen, zerschlug sich nach einem Unfall, den ein Betrunkener verursacht hatte. Da er sich auf einen kriminellen Pfad einließ, war es für ihn selber nur eine Frage der Zeit, wann sich Gefängnistüren hinter ihm schließen würden.

Während einer jahrelangen Haftzeit begegnete „Pinky" der Kunst. Seine Zellengenossen waren ein bekannter Kunstfälscher und ein Wirtschaftskrimineller, der in seinen guten Zeiten als Konzernchef Kunstmäzen und Sammler gewesen war.

In der Haft absolvierte „Pinky" das Abitur, das Studium der Philosophie, Psychologie und Kunstgeschichte an der Fernuniversität Hagen - und er malte. Aus Materialmangel wurden die Zellenwände zu Bildträgern, das hatte er von dem Kunstfälscher übernommen.

1995 wurde „Pinky" aus der Haft entlassen und verdiente bis 1997 seinen Unterhalt als Metzger, bis er durch einen Unfall, der zu einem Wirbelsäulenbruch führte, arbeitsunfähig wurde. Eine bescheidene Rente und der Verkauf seiner Bilder müssen ihm nun seinen Lebensunterhalt sichern. „Pinky" sagt von sich selbst, er sei ein von der Malerei Besessener, aber das ließe ihn wissen, dass er lebe. Im ersten Jahr nach seiner Entlassung malte er 250 Bilder, die allesamt verkauft wurden. Seine erste Ausstellung hatte er im Jahre 1997.

In der jetzigen Ausstellung der Galerie Andalusien Art in Worpswede werden 70 Bilder des Malers im Original gezeigt. Außerdem findet sich noch ein Bildkatalog mit vielen anderen Werken des besonders produktiven Künstlers.

 „Das erste Bild zu einer Themengruppe öffnet immer den Kanal für das Unterbewusstsein ", berichtet er. Dieses erste Bild würde auch am längsten brauchen bis es fertig gestellt ist, die folgenden erschließen sich dann sehr schnell. So ist dann auch die Arbeitsweise des Malers sehr schnell und daher sehr produktiv, was an der Fülle der inneren Bilder liegt, die der Künstler nach außen bringen möchte. Oder sollte man besser sagen, nach außen bringen muss?

Schonungslose Offenheit begegnet dem Betrachter. Die Welt in ihren Niedrigkeiten wird dargestellt genauso wie eigene erlebte Realitäten, wie Träume, Visionen. Und immer ist es der Blick des Malers, durch den der Betrachter auf Szenarien mit Zuhältern, Dieben, Kriminellen, Alkoholikern und anderen Außenseitern schaut. Häuser und Stadtviertel bieten eine Kulisse für menschliche Dramen. Auch für das eigene Drama. Der schonungslose Blick ist nicht nur auf andere gerichtet, auch dem Künstler selbst gilt er, kehrt das Innere nach außen.

Öl und Leinwand, diese klassischen Materialien erfahren durch die expressionistische, eigene Arbeitsweise von „Pinky" eine besondere Dynamik, verlassen, wie auch die Themenwahl, bekanntes Terrain ...
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